Kommentar
11.06.2024 / Demokratie funktioniert in Deutschland nur so lange, bis jemand aus der Reihe des demokratischen Mainstream tanzt. Was nicht in den politisch teils lautstark propagierten Konsens passt, wird von der vierten Gewalt im Staat, den Medien, niedergeschrieben. Das allein mag verwundern, denn gerade Medien haben sich Neutralität und sachliche Berichterstattung auf die Fahne geschrieben. Dieses Credo ist längst Vergangenheit.
Das beste Beispiel liefert der Krieg in der Ukraine. Politisch und medial hat man sich längst auf einen Standpunkt geeinigt. Man wählte die einfachste Lösung: Schwarz und weiß, Gut und Böse. Das ist simpel und hilft auch dem letzten Schmierfinken zu Klarsicht. Irgendwie passt das in das Verständnis, das Politiker im Allgemeinen den Bürgerinnen und Bürgern zugestehen, wie am Wahlabend direkt oder indirekt häufig zwischen den Zeilen zu erfahren war: Politik müsse erklärt werden. Muss sie nicht.
Politik muss allerdings erklärbar sein. Dazu gehört insbesondere Offenheit gegenüber Alternativen, Handlungen und Lösungen. Das geht immer mehr verloren.
Heute gab es den nächsten „zynischen“ und „schäbigen Eklat“, wie t-online und weitere Portale und Berichterstatter mit flinker Eingabe rhetorisch einhellig posteten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht bliebt der Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Bundestag fern. Da ist sie, die nächste Kuh, die übers Eis getrieben wird. Die BSW wird bereits „Kreml-Partei“ genannt. Ist Politik auch diesmal so einfach erklärt?
Wer wagt, nur ein zartes „aber“ in die Diskussion über Diplomatie einzuwerfen, wird von eifrigen Kriegsenthusiasten und vehementen Diplomatieverweigerern, wie Strack-Zimmermann oder Kiesewetter, niedergebrüllt und als Propagandist Putins dargestellt. Die deutsche Medienlandschaft beobachtet mehr oder weniger amüsiert, nickt ab und merkt dabei nicht, dass sie damit längst am Boden ihrer Freiheit und der Verpflichtung zu kritischer Berichterstattung liegt.
Jeder Journalist, der noch einen Funken Verstand und Berufsethos besitzt, sollte spätestens an dieser Stelle laut aufschreien. Doch nein, es bleibt ruhig im demokratischen Staat, der die Pressefreiheit als eines der höchsten Güter betrachtet.
Die BSW blieb, ebenso wie viele Abgeordnete der AfD, der heutigen Rede Selenskyjs fern. Das kann man gut oder schlecht finden. Eine Meinung darf aber nicht als absolutistisch herausgestellt und die andere geradezu als Verrat am deutschen Staat und dessen Handeln abgetan werden.
Es ist das gute Recht eines jeden Abgeordneten, frei entscheiden zu können. Denn wie heißt es in §13 der Geschäftsordnung: „Jedes Mitglied des Bundestages folgt bei Reden, Handlungen, Abstimmungen und Wahlen seiner Überzeugung und seinem Gewissen.“ – Genau das ist Demokratie. Demokratie folgt nicht der Meinungsmache. Wer jemandem die Freiheit der Überzeugung und des Gewissens abschreibt und abspricht, der denkt und handelt zutiefst undemokratisch.
Wo bleibt endlich der sprichwörtliche Ruck, der durch die deutschen Medien geht? Es ist doch so einfach: In einer Demokratie braucht es dazu keinen Mut. Nur Vernunft. Eigentlich.