Kommentar
Die Europäische Union – das war mal das Staatenbündnis gemeinsamer Ideen und demokratischer Gedanken. Das „Europa“, wie es sich gerne verkürzt verstanden wissen möchte, ist längst Geschichte. Vollmundige Selbstdarstellung reicht in der Weltpolitik eben nicht aus. Diese Vermarktungstaktik geht nur so lange gut, bis Eigenverständnis auf Realität trifft.
Die kam mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Vorbei war die Zeit der Phrasen, der rhetorisch perfekt formulierten Verbindlichkeiten in der wohligen Wiege einer im Grunde brüchigen Konstruktion.
Die Taktgeber des heutigen globalen Geschehens sitzen nicht in Europa. Um falschen Vorstellungen gleich entgegenzuwirken: Sie sitzen auch nicht in den USA, schon gar nicht in Russland. Doch die sprichwörtliche Katze war in Europa noch nie wirklich zuhause. Folgerichtig haben jetzt sämtliche Mäuse allen Grund, auf den Tischen zu tanzen.
Der europäischen Staatengemeinschaft bleibt nichts anderes übrig, als am Rande der Manege zuzuschauen. Sich dabei über andere zu mokieren, die handeln statt zu reden, ist geradezu peinlich.
Europa hat seinen Zeitpunkt zur Lösung des Ukrainekrieges und für eine Führungsrolle verpasst. Dazu beigetragen haben die meisten der Staaten, aber auch der Medien. Wer bislang das Wort Diplomatie in den Mund nahm, wurde als Russland-Versteher abgetan, er wurde mundtot gemacht. Was allein zählte, im Kampf gegen den übermächtigen Gegner, war Aufrüstung. Nie wurde verstanden, um was es dem Aggressor Russland eigentlich ging.
Wer Lösungen in einem Konflikt ernsthaft will, der muss verstehen – nicht nur die eine, sondern auch die andere Seite. Verstehen hat nichts mit Verständnis zu tun. Das ist Diplomatie in ihrer reinsten Form. Ob Europa seinem vortrefflichen Grundgedanken vor diesem Hintergrund jemals wieder gerecht werden kann, steht in den Sternen. Immerhin sind die noch auf der EU-Flagge zu finden.
Der Beitrag wurde am 17.02.2025 im Programm von Radio BW Baden-Württemberg gesendet.